Es ist 2 Uhr früh, ich höre erste Regentropfen die ans Fenster meines Bootes schlagen, starker Wind kommt auf, das Boot fängt an zu schwanken. Der Regen wird nach und nach stärker und der Wind entwickelt sich zu einem Sturm. Werden die Eisenpflöcke, die ich gestern in die trockene Erde gehämmert habe, halten? Die Angst, dass der Sturm mein Boot losreißt und ich im Schlaf den Kanal weitertreibe ist da. Trotzdem versuche ich zu schlafen. Mir wird klar, dass das Boot unter einem Baum vertäut ist. Was ist, wenn ein Ast herunterfällt und das Boot beschädigt?
Ist das Boot überhaupt dicht? Ich stehe nochmals auf und mache einen kleinen Bootsrundgang. An mehreren Stellen tropft es bereits in die Kabine. Der Wind und die wolkenbruchartigen Regenfälle halten bereits seit Stunden an. Ich lege an den feuchten Stellen ein paar Handtücher auf und freue mich als mit Sonnenaufgang sowohl der Regen als auch der Wind stoppt. Wie muss sich wohl so ein Sturm auf hoher See anfühlen, denke ich mir und bin froh, mit meinem Hausboot nur am Canal du Midi zu liegen.
Um die Mittagszeit treffe ich in Argeliers ein. Das Dorf ist ein paar hundert Meter von Kanal entfernt und ich suche nach einem Platz für einen kleinen Mittagssnack und um Einkäufe zu erledigen. Das Dorf ist wie ausgestorben, viele alte Häuser stehen zum Verkauf. Auf dem kleinen Hauptplatz unterhalb der Kirche ist eine kleine Bäckerei, wo ich es mir bei einem Kaffee gemütlich mache. Eigentlich plante ich, hier ein paar Stunden zu verbringen und endlich mal zum Lesen zu kommen, aber die Bäckerei sperrt um 12:30 für die Mittagspause bis 17:00 (!) zu.
Der Sparmarkt daneben hat ebenfalls den gesamten Nachmittag über geschlossen und ich muss mich beeilen um Wasser und ein paar Lebensmittel zu besorgen. Das ganze Dorf hat Sperrstunde. Zurück am Anlegeplatz erkunde ich die Gegend. In der Nähe der nächsten Brücke steht ein nettes Restaurant. Die Speisen sind mit Kreide auf eine kleine Tafel geschrieben. Das Restaurant öffnet um 19:00 Uhr. Viele Boote liegen vor Ort und alle scheinen die fehlenden Serviceeinrichtungen zu vermissen. Auch das ist eine Seite des Canal du Midi: Die jungen Menschen ziehen in die Stadt, die Dörfer sterben aus, obwohl es genügend Potential für Geschäftstätigkeiten besonders entlang des Kanals gäbe.
Am Nachmittag bricht endlich die Sonne durch die Wolken und meine schlechte Stimmung wandelt sich wieder in Urlaubsstimmung. Ich fahre noch ein paar Kilometer weiter und lege bei der Brücke Pont de Sériege an. Gleich neben der Brücke befindet sich ein Restaurant, dessen Speisekarte Köstliches erahnen lässt. Bis zu diesem Zeitpunkt hat mich die französische Küche eher enttäuscht (das Cassoulet einmal ausgenommen). Das Auberge de la Croisade bestätigt mir aber, dass die Küche Frankreichs zu den besten der Welt gehört.