Fast hätte ich die Einfahrt in den Hafen von Ajaccio verschlafen. Als ich aufwache blicken die von der Morgensonne beleuchteten Häuser der Stadt schon durch mein Kabinenfenster. Raus aus dem Bett und sofort rauf aufs Deck. Geschafft, gerade noch rechtzeitig. Das Schiff nähert sich ruhig und langsam auf den für es vorgesehen Hafenplatz.
Ich bin ein Freund der schwarzen Bohne. Jetzt ein Espresso, und mein Tag würde perfekt beginnen. Die Anytime Bar am Heck der AIDAaura hat trotz des vielversprechenden Namens heute noch geschlossen. Mit dem perfekten Tag wird es wohl nichts. An die Gäste, die das Anlegen des Schiffes beobachten, hat die Crew natürlich gedacht. Heißes Wasser, Teebeutel und ein paar Snacks stehen zur freien Entnahme bereit. Kannenkaffee gibt es auch, aber das zähle ich persönlich nicht zur Kategorie Kaffee.
Anstatt mit einer Espressotasse stehe ich also mit einem Teehäferl an der Reling und beobachte den Anlegevorgang. Es weht eine ziemlich kühle Morgenbrise.
Ich mag Bummelzüge. Wo auch immer ich einen sehe, kann ich nur schwer widerstehen und auf eine Fahrt verzichten. So ist es mir zumindest beim Lesen der Ausflugsmöglichkeiten gegangen. Im Programm steht: „ca 1 h 30 Besuch des Bergdörfchens Bastelica mit kurzer Rundfahrt durch die Gassen mit einem kleinen Zug (Bimmelbahn)“. Bummelzug oder Bimmelbahn, gibt es eigentlich einen Unterschied? Auf jeden Fall habe ich diesen Ausflug gleich am Ankunftstag gebucht.
Langsam und fast lautlos schlängelt sich der Bummelzug durch die Gassen von Bastelica. Das Bergdorf ist rund eine Busstunde vom Hafen entfernt und Heimat von rund 400 Einwohnern. Die alten Steinhäuser haben Charme. Einige davon dürften sehr alt und leider unbewohnt sein. Überall im Ort blüht gelber Ginster.
Frauen und Männer sitzen vor ihrer Haustüre und wundern sich wahrscheinlich von jeden Tag aufs Neue über das gelbe-weiße Gefährt und die fotografierenden Besucher. Die Großeltern passen auf die kleinen Kinder auf, gemeinsam winken sie uns zu. Große und gut gepflegte Hunde erscheinen hinter jeder Straßenecke. Sie haben sich ebenfalls an den Bummelzug gewöhnt und wedeln mit dem Schwanz. Es scheint als würden sie uns zuwinken. Welch freundlicher Empfang in Bastelica!
Im „Chez Paul“ ist schon für uns Ausflügler gedeckt. Korsische Spezialitäten wie Schinken, Salami und Käse warten in kleinen Portionen auf uns. Auf den Tischen stehen je eine Flasche Roséwein und Rotwein. Es ist zwar noch nicht Mittagszeit, aber auf einen guten Tropfen Wein möchte ich trotzdem nicht verzichten. Vor allem der Rosé passt ideal zu den Köstlichkeiten.
Die AIDAaura liegt quasi mitten in Ajaccio. Der Weg von meiner Kabine bis zum Schiffsausgang ist nicht viel kürzer als der vom Schiff in die Stadt. Das Schiff läuft heute erst um 20 Uhr aus, da bleibt genug Zeit um am Nachmittag Ajaccio zu erkunden.
Die Marktfahrer räumen gerade ihre Stände zusammen. Sie tun es mit Gelassenheit und trinken dazwischen auch schon einmal ein Gläschen Wein mit dem Nachbarn. Wurst- und Käsespezialitäten liegen zum Verkauf bereit, daneben Honig, Oliven und korsischer Wein.
Ich spaziere durch die Gassen und Straßen der Stadt. Es ist Sonntag, die meisten Geschäfte haben geschlossen. Das stört mich keineswegs, ganz im Gegenteil, so kann ich ohne großem Treiben die Stadt und auch den schmalen Stadtstrand erkunden.