Ich stehe vor einer Steilwand und blicke rund 15 Meter nach oben. Ich sehe ein kleine Holztüre. Von dort hängt ein etwa 8 cm dickes Seil herunter. Daneben hängt eine Schlaufe, ich glaube aus Tierhaut. Mein Führer bindet mir die Schleife zwei Mal um den Bauch und ehe ich noch lange überlegen kann, zieht jemand an dem Seil und ich bin auf den Weg nach oben.
Eigentlich habe ich Höhenangst. Geklettert bin ich auch noch nie. Warum mache ich das bloß,noch dazu in einem Land wie Äthiopien? Zumindest habe ich schon einmal einen Toyota als Rettungsauto verkleidet gesehen. Beruhigen tut mich dieser Umstand nicht wirklich.
Ich lasse mich die fast senkrechte Wand nach oben schleppen. Das Ziegenleder drückt sich fest in meinen Oberkörper. Irgendjemand zieht kräftig nach oben. Das bringt mich schneller zum Ziel als die schwindenden Kräfte in meinen Armen. Ich habe kaum mehr Zeit um den Fuß in eine Nische in der Wand zu setzen. Hurra, geschafft! Ich bin oben. Der Liftboy macht keinen besonders kräftigen Eindruck. An dass Runterklettern denke ich vorerst einmal nicht.
Warum ich mir das antue? Hier oben steht die wahrscheinlich das älteste noch erhaltene Kloster Afrikas südlich der Sahara. Ich bin gespannt. Nach ein paar Minuten erreiche ich die Klosterkirche. Mein erster Eindruck? Eine Alpenhütte. Ein neues Dach schützt den alten Bau. Angeblich stammt die Kirche aus 6. Jhdt. Nach Christus und wäre somit rund 1400 Jahre alt. Vor Feinden gut geschützt ist die Klosterkirche auf jeden Fall.
Im Inneren zeigt mir ein Priester ein rund 500 Jahre altes Buch mit Seiten aus Ziegenhaut. Ich bewundere die glatten Holzbalken aus Olivenholz.
Im Turm daneben hängen zwei Glocken, die nur zu besonderen Anlässen geläutet werden. Von hier aus habe ich einen schönen Blick über die alte Kirche und die Wohnungen der 150 Mönche die im Kloster Debre Damo wohnen.
Es ist kurz vor der täglichen Nachmittagsmesse. Ich muss das Areal verlassen und lasse mich die Steilwand runter. Ich habe keine andere Wahl.
Von unten beobachte ich noch, wie Mönche ohne Bauchschlinge, nur mit dem Seil in der Hand, die Wand regelrecht empor laufen. Um mir die Schmach beim nächsten Mal zu sparen, plane ich zuhause einem Kletterverein beizutreten.