„Do you need a toilet?“ fragt mich mein Guide Tom, bevor wir ein kleines Boot besteigen. Ich schließe daraus, dass es an Bord keine Toilette gibt und suche noch die sogenannte Toilette in der Nähe der Bootsanlegestelle auf. Mehr als ein Erdloch finde ich nicht vor. Wenig später sitze ich bequem in meinem Liegestuhl auf einem überdachten Langboot und los geht meine Bootsreise zu den Chin Villages.
Wir fahren flussaufwärts. Große Flosse kommen uns entgegen, lassen sich mit der leichten Strömung treiben und transportieren auf diese Weise Bambus- und Teakholz Richtung Meer. Fischer hantieren auf kleinen Booten mit ihren Netzen. Frauen waschen ihre Wäsche. Es ist angenehm warm und ich genieße die leichte Brise des Fahrtwindes auf meiner Haut. Einzig das laute Schnattern des Dieselmotors stört die idyllische Stimmung.
Wir legen an. Nach rund 2,5 Stunden gehe ich an Land und marschiere den sandigen Weg hinauf zum ersten Chin Village. Zur Regenzeit ist der Fluss einige Meter höher. Ich befinde mich im einem Dorf der Chin, einer großen Volksgruppe im Staat Myanmar. Laute Musik tönt aus den Lautsprechern. Ein Fest ist in Gang. Auf einem Plakat wird mir der geplante Klosterbau gezeigt. Heute ist die „Grundsteinlegung“ und entsprechend wird gefeiert.
Ich überzeuge mich selbst und sehe einen drei Meter hohen Stahlkorb in etwas Zement befestigt. Ansonsten stehen alle Häuser auf Holz- und Bambuspfählen. Das Kloster soll sicher besonders schön werden. Ein Frau reicht mir ein Teller mit Melonenstücken und ich werde zum Essen eingeladen.
Leider bin ich noch vom Frühstück satt, will aber nicht unhöflich gelten und nehme mir ein Stück. Dann überlege ich wie das riesige Kloster auf dem Plakat auf dem kleinen Grundstück Platz haben soll. Das kann sich nicht ausgehen, trotzdem spendiere ich fünftausend Kyat für den Bau und der Gastfreundschaft.
Zehn Bootsminuten weiter treffe ich auf alte Chin-Frauen mit den bekannten Gesichtstätowierungen. Einer Legende nach ließ vor knapp 1000 Jahren der König viele schöne Chin Frauen für seinen Palast entführen. Um dem entgegenzutreten wurden alle jungen Mädchen mit Tätowierungen im Gesicht unattraktiv gemacht. Diese Tradition hielt sich viele hunderte Jahre und findet nun ein Ende. Die jüngsten Frauen mit den markanten Gesichter sind schon über 60 Jahre alt.
Im nächsten Dorf geht es geschäftiger zu. Tätowierte Frauen begrüßen mich und alle leiten mich zu ihren Häusern. Verkauft werden schmale Schals in grellen Farben. Zu rau um sie zu tragen, aber als Dekoration, zum Beispiel als Tischvorleger, durchaus brauchbar. Um nicht einfach nur fotografierend durch ein Dorf zu laufen, gebe ich meinen Beitrag und kaufe einer Familie einen Schal ab.
Eine mit einer Spinnenwebe tätowierte Frau um die 80 unterhält sich mit meinem Guide. Eine mindestens genau so alte und sichtlich schon fast blinde und ebenfalls tätowierte Frau gesellt sich dazu. Ihr Mann liegt ein paar Meter weiter hinten und schläft. Daneben webt die Schwiegertochter einen weiteren, sehr bunten Schal.
Eine Freundin vom Nachbarhaus ist ebenfalls da und säugt ihr Baby. Eine weitere junge Frau sitzt mit einer Myanmar-Zigarette im Plastiksessel. Keine Ahnung welches Kraut sie da raucht, es scheint aber ziemlich entspannend zu wirken.
Mit meinem Guide als Übersetzer entsteht ein interessantes und sehr lustiges Gespräch mit der versammelten Gruppe. Es geht um Männer, die in dieser Gegend manchmal eine zweite Frau heiraten. „Man teilt sich das Frühstück, aber doch keinen Mann“ wirft die sehbehinderte Frau ein.
Für die modernen Verhütungsmethoden der jungen Frauen hat sie kein Verständnis. „Die Kinder sollen kommen, wie sie kommen“, meint sie. Die Schwiegertochter sieht das anders, drei Kinder sind ihr genug.