Reisedoktor

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Franz Roitner

Mit dem Hausboot von Pont de Seriege nach Colombiers

Ich erlebe ein deja-vu. Die ganze Nacht über hat es geregnet, erst kurz vor meiner geplanten Abfahrt tropft es nur mehr von den Plantanenbäumen in den Kanal. Der Wind weht noch frisch und ich fahre schneller als mit meiner üblichen Kriechgeschwindigkeit, um trocken in das nächste Dorf, nach Capestang,  zu kommen.

Canal du Midi

Capestang hat einen hervorragend eingerichteten Hafen mit Strom, Wasser und W-LAN und ich tanke meinen Wassertank für Dusche und WC auf. Im Ort selbst befindet sich eine eigenartige Kirche, die das gesamte Dorf überragt. Eigenartig deshalb, weil der hintere Teil in romanischem Stil und der Hauptteil im gotischen Stil anschließt. Alles in allem wirkt der Bau für mich zu kurz geraten.

Hafen von Capestang Capestang

Der Ort ist etwas belebter als die vorherigen und es haben sogar mehrere Cafes und ein Geschäft nachmittags geöffnet. Hier könnte ich eigentlich länger als nur ein paar Stunden bleiben. Die Tage meiner Reise sind aber schon gezählt, und ich fahre doch noch ein Stück weiter.  Nach rund einer Woche beginne ich die Hausbootreise so richtig zu genießen und finde Ruhe und Langsamkeit auf dem Canal du Midi.

Capestang Hauptplatz Katze in Frankreich

Am Abend fahre ich durch den längsten und einzigen Tunnel der  Strecke, durch den Tunnel Malpas. Er führt etwa 160 Meter durch einen Hügel und es gibt nur Einbahnverkehr. Vor dem Tunnel hupe ich noch kräftig, um Boote die eventuell entgegenkommen zu warnen. Am Abend spaziere ich noch einen Hügel hinauf zur historischen gallischen Siedlung Enserune. Ich bin leider zu spät dran und das Gelände kann nicht mehr besichtigt werden. Ich habe aber von hier aus einen schöne Blick über den Etang de Montady. Diese Fläche wurde im Mittelalter mit einem Drainagesystem trocken gelegt.

Tunnel Malpas Etang de Montady

 

Hausbootfahrt von Le Somail bis zum Pont de Sériege auf dem Canal du Midi

Es ist 2 Uhr früh, ich höre erste Regentropfen die ans Fenster meines Bootes schlagen, starker Wind kommt auf, das Boot fängt an zu schwanken.  Der Regen wird nach und nach stärker und der Wind entwickelt sich zu einem Sturm. Werden die Eisenpflöcke, die ich gestern in die trockene Erde gehämmert habe, halten? Die Angst, dass der Sturm mein Boot losreißt und ich im Schlaf den Kanal weitertreibe ist da. Trotzdem versuche ich zu schlafen. Mir wird klar, dass das Boot unter einem Baum vertäut ist. Was ist, wenn ein Ast herunterfällt und das Boot beschädigt?

Eisenpflock mit Tau Hausboot

Ist das Boot überhaupt dicht?  Ich stehe nochmals auf und mache einen kleinen Bootsrundgang. An mehreren Stellen tropft es bereits in die Kabine. Der Wind und die wolkenbruchartigen Regenfälle halten bereits seit Stunden an. Ich lege an den feuchten Stellen ein paar Handtücher auf und freue mich als mit Sonnenaufgang sowohl der Regen als auch der Wind stoppt. Wie muss sich wohl so ein Sturm auf hoher See anfühlen, denke ich mir und bin froh, mit meinem Hausboot nur am Canal du Midi zu liegen.

Canal du Midi

Um die Mittagszeit treffe ich in Argeliers ein. Das Dorf ist ein paar hundert Meter von Kanal entfernt und ich suche nach einem Platz für einen kleinen Mittagssnack und um Einkäufe zu erledigen.  Das Dorf ist wie ausgestorben, viele alte Häuser stehen zum Verkauf. Auf dem kleinen Hauptplatz unterhalb der Kirche ist eine kleine Bäckerei, wo ich es mir bei einem Kaffee gemütlich mache.  Eigentlich plante ich, hier ein paar Stunden zu verbringen und endlich mal zum Lesen zu kommen, aber die Bäckerei sperrt um 12:30 für die Mittagspause bis 17:00 (!) zu.

Boulangerie Argeliers

Der Sparmarkt daneben hat ebenfalls den gesamten Nachmittag über geschlossen und ich muss mich beeilen um Wasser und ein paar Lebensmittel zu besorgen.  Das ganze Dorf hat Sperrstunde.  Zurück am Anlegeplatz erkunde ich die Gegend. In der Nähe der nächsten Brücke steht ein nettes Restaurant. Die Speisen sind mit Kreide auf eine kleine Tafel geschrieben. Das Restaurant öffnet um 19:00 Uhr.  Viele Boote liegen vor Ort und alle scheinen die fehlenden Serviceeinrichtungen zu vermissen. Auch das ist eine Seite des Canal du Midi: Die jungen Menschen ziehen in die Stadt, die Dörfer sterben aus, obwohl es genügend Potential für Geschäftstätigkeiten besonders entlang des Kanals  gäbe.

Wegweiser am Canal du Midi Speisekarte

Am Nachmittag bricht endlich die Sonne durch die Wolken und meine schlechte Stimmung wandelt sich wieder in Urlaubsstimmung. Ich fahre noch ein paar Kilometer weiter und lege bei der Brücke Pont de Sériege an. Gleich neben der Brücke befindet sich ein Restaurant, dessen Speisekarte Köstliches erahnen lässt. Bis zu diesem Zeitpunkt hat mich die französische Küche eher enttäuscht (das Cassoulet einmal ausgenommen). Das Auberge de la Croisade bestätigt mir aber, dass die Küche Frankreichs zu den besten der Welt gehört.

Auberge de La Croisade Dinner Südfrankreich

Hausbooturlaub: Von Argens-Minervois nach Le Somail

Seit fünf Tagen bin ich auf dem Canal du Midi unterwegs. Heute halte ich mit meinem Boot im Ort Paraza, wo Pierre-Paul Riquet, der Erbauer des Kanals, während der Bauzeit des Kanals im 17. Jahrhundert residierte. Riquet legte seine Pläne für den Bau des Kanals 1662 dem Sonnenkönig Ludwig dem XIV vor und erhielt 1666 die Genehmigung den Plan auszuführen. Bis zu 12.000 Arbeiter waren am Bau beschäftigt und bereits nach 14 Jahren Bauzeit wurde der Kanal eingeweiht. In dieser für mich unglaublich kurzen Zeit wurden 328 Bauten – Schleusen, Tunnel, Brücken, Häfen, Aquädukte und weitere Gebäude – errichtet.

Canal du Midi

Pierre-Paul Riquet erlebte die Fertigstellung nicht mehr und starb ein Jahr vor der Eröffnung des Kanals. Als Initiator und Mastermind des Kanals schuf er ein Projekt, das das Mittelmeer mit dem Fluss Garonne und somit mit dem Atlantik verband. Die gesamte Region profitierte die nächsten Jahrhunderte vom Canal du Midi. Heute wird der Kanal fast ausschließlich touristisch genutzt und hält so nach wie vor die vielen Dörfer entlang der Wasserstraße am Leben. Ich spaziere durch die steilen und engen Gassen von Paraza.

Paraza Paraza am Canal du Midi

Der Ort Le Somail zählt zu den bekanntesten Orten am Canal du Midi. Direkt am Canal werden auf einem Boot frisches Baguette und Produkte der Region verkauft. Einige Künstler haben sich hier angesiedelt und bieten ihre Bilder zum Verkauf.

Le Somail

Eine Besonderheit ist eine große alte Buchhandlung, die über tausende Bücher anbietet. Ein wahrer Schatz für Buchliebhaber. Nochmals genehmige ich mir ein Kaffee am Canal und schon geht die Fahrt weiter flussabwärts.

Le Somail Hafen Buchhandlung Le Somail